Wie wichtig ist uns Rharbarber? Haben wir je darüber nachgedacht? Muss erst ein Russe daherkommen, der die Angelegenheit mit dieser seltsamen Gartenfrucht ins Rampenlicht unseres Alltags rückt? Wladimir Kaminer ist jedenfalls der Meinung, es müsste der Genuss dieses äußerst zweifelhaften Kompotts im Test auf Einbürgerung aufgenommen werden. Er hat es sich angetan. Als Integrationsmaßnahme. Der grüne Schleim, der ihm da vorgesetzt wurde, schmeckte zwar nach Essig mit Zitrone, aber er spürte danach ein willkommenes Gefühl der Zugehörigkeit. „Das Leben in Deutschland ist kein Zuckerschlecken!“ Eben!
Es war im zweiten Teil der Lesung, zu der Kaminer am Montagabend in die Fachhochschule nach Stralsund eingeladen war, als er mit der Rharbarbergeschichte herausrückte. Sie stammt aus seinem Buch „Mein Leben im Schrebergarten“ und natürlich hat er sich mit der Aneignung einer solchen Scholle im Speckgütel Berlins auch etwas angetan, was sich nur ganz Mutige trauen: Der Eintritt in den Mikrokosmos eines Gartenvereins. Im ersten Teil seiner Lesung kündigte er sein nächstes Buch an. Es wird „Salve Papa“ heißen, erklärte er, weil seine Tochter im Gymnasium gerade Latein lernt, aber über die erste Vokabel bis zu den Herbstferien nicht hinausgekommen ist. Bildung in Deutschland. Ja, da fällt nicht nur Kaminer was Originelles ein. Und es ist auch nicht messerscharf, was er da über seinen Alltag als Familienvater und Schriftsteller so von sich gibt. Es ist ganz normal. Und deshalb umso amüsanter. Im Audimax der Fachhochschule wurde jedenfalls schon gejohlt, wenn sich wieder jemand aus der ersten Reihe erhob, weil die Tonqualität in den hinteren Sitzreihen erst als solche zu bezeichnen war. Da lacht man plötzlich also über Leute die Todesstreifen harken und über die Dissidenten der Kolonie, die Günter Grass heißen und es nicht wissen und heimlich Nadelbäume kultivieren. Ein Integrations-Genie ist er. Als Russe, der nur deutsche Bücher schreibt. Über den Alltag eben. Und die Bewältigung desselben. Und schräg ist ja nur der Vergleich mit dem, was uns trennt und dann doch nicht. Rharbarber ist, zugegeben, ein Grenzfall.
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