Er hängt ihm an wie ein klebriges Bonbonpapier, wie ein nervender kleiner Bruder. Dieser Paul. Immer wenn man Glatzeder sah, hieß es: Das war doch der Paul!? Dieser kultigste Liebhaber der DDR-Filmgeschichte. In bed with Angelika. „Paul und Paula“ waren sie. Er hat ja danach auch noch eine Menge andere Film- und Theaterrollen gespielt und zwar so, dass er mal sinngemäß sagte, dass alle seine Rollen Traumrollen sind, weil sie ihn bis in den Traum verfolgen. Aber dieser Paul, der ist in sein kantiges und verhext altersloses Gesicht gemeißelt, das er seit 35 Jahren wie ein siamesischer Zwilling mit dieser Filmfigur teilen muss. Insofern ist es die weise Einsicht in Dinge die man nicht ändern kann und nicht, wie es auch vermuten lässt, der Hinweis auf eine Persönlichkeitsstörung, dass er seine Autobiografie „Paul und ich“ genannt hat. Winfried Glatzeder ist auf Lesereise und war am Sonntagabend im Theater. In der Mitte der Bühne.
Die erste Begegnung mit seiner Mutter sei ein Schock gewesen, liest er vor. Nein, nicht nach der Geburt die. Erst mit fünf Jahren, nach Jahren zwischen Kinderheim und Großmutter, sieht er sie, die mit TBC in der Lunge in die Quarantäne gezwungen war. Es wird nicht mehr richtig gut mit den Beiden. Den Vater erlebte er nie. Die Geschichte reicht, um zu ahnen, dass unter der laxen und kantigen Erscheinung dieses Schlacks ein ordentliches Verließ zu vermuten ist. Und so sprüht sein Wortwitz durch den Raum, er inszeniert kapitelweise, monologisiert, schweift ab, so dass sich dem Zuschauer ein Glatzeder-Universum erschließt, eins ums nächste, selten kriegt er noch den Ariadnefaden zu fassen, um zurückzukehren zu Buch und Bühne. Aber da steht eben auch der erklärte Exbettnässer und Hypochonder auf einer entstaubten Bühne und verteilt an hustendes Volk Eukalyptusbonbons. Bakterienflug oder akustische Störung, wie auch immer. Dünnhäutig kämpft er um die totale Aufmerksamkeit und kriegt sie, kein Gähnen bleibt unkommentiert und je hippeliger die Zuschauer an ihren Nachtbus denken, um so mehr überzieht er eben. Das sind die Kellerbesichtigungen dieses unverwechselbaren Schauspielers. Das Andere war eine professionelle Bühnenshow, der Lesetipp für ein Buch über eine Menschwerdung als Künstler und eine ausgedehnte Autogrammstunde. Der Nachtbus war eh weg.
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