Dienstag, Juni 03, 2008

„Dieses Buch sollte mir gestatten, den Konflikt in Nah-Ost zu lösen, mein Diplom zu kriegen und eine Frau zu finden“


Sylvain Mazas ist 26 Jahre alt und hat sich vorgenommen, die Welt zu verbessern. Dafür stehen ihm eine Gitarre, ein Haufen Freunde, seine Eltern und sein Zeichentalent zur Verfügung. Im Mückenschweinverlag ist aktuell sein Erstlingswerk erschienen. Ein Comic, auf dessen grauem Pappdeckel der inhaltsschwere Titel prangt „Dieses Buch sollte mir gestatten, den Konflikt in Nah-Ost zu lösen, mein Diplom zu kriegen und eine Frau zu finden“. Es ist „Teil 1“, wohlgemerkt, der hier vorliegt. Sylvain Mazas hat damit sein Diplom bestanden. An der Kunsthochschule in Berlin Weißensee. Und hängt schon mal an die große Glocke: „Mit dem 2. Und 3. Teil löse ich den Nah-Ost-Konflikt und finde eine Frau“. Wenn das mit dem 1. Teil so gut geklappt hat, dann gibt’s an seinen Vorhaben wohl keinen Zweifel.
Das Buch hat sich vor Weihnachten so gut verkauft, dass die Produktion im Verlag auf Hochtouren lief. Denn, die Art und Weise, wie der junge Franzose und sein Verleger Fred Lautsch, den Weltfrieden herbeizuführen gedenken, das ist schon ganz schön ausgebufft. Für fünf Euro ist man dabei. Selten dass man für so wenig Geld so viel bekommt. Ein schönes, inhaltsreiches, amüsantes Buch ohne Altersbeschränkung. Jeder soll es haben. Es soll so vielen Menschen wie möglich in die Hände fallen. Denn, so wird es kommen: Bei allen Lesern werden plötzlich mit Blitz und Peng und Aha die Synapsen umschalten. „Ach, so siehts aus mit dem Libanon und den palästinensischen Flüchtlingen und den Israelis und mit dem Wissen darum, dass man eigentlich nichts weiß und mit den Toleranzen und mit dem Glück.“ Das leuchtet Jedem ein, der nach einer guten halben Stunde das Brevier zuklappt.
Ein wirklich guter Plan! Der dem Buch auch als Schema beiliegt. In der Mitte steht, worum es eigentlich geht: Glücklich sein! Das ist das Ziel seines Lebens. Sagt Mazas, der als Erzähler durch das Buch führt. Alles drumrum ist nur der Weg dahin. Jeden Tag Orangensaft trinken um Vitamine zu haben um gesund zu sein um schön zu sein ... um schließlich und endlich glücklich zu sein. Arabisch lernen, kochen können, tanzen gehen, seine Schwächen zeigen, Gedichte auswendig lernen – all das endet über Pfeilverbindungen und Blasen in der Mitte des Blattes immer mit: Glücklich sein. Und ist mit einer geradezu verblüffenden Logik auf fast Alles anwendbar. Mazas, der es schafft, die Welt mit Dreiecken und Vierecken so plausibel zu erklären, wie kein Philosoph vor ihm, ist ein wacher und sehr kreativer Geist. Seinen dreimonatigen Aufenthalt im Libanon hängte er an mehrere Jahre auf verschiedenen französischen Kunstschulen. Schließlich landete er in Berlin und ist jetzt Dipl.-Illustrator. Comiczeichner. Seine Eltern, sagt er, wollten, dass er lange studiert. Und das ganze Studium lang, sagt er auch noch, hat er gemacht, was er meinte, machen zu müssen, nicht, was seine Professoren von ihm wollten. Für sein Diplom hat er eine Eins gekriegt. Und dass ausgerechnet beim Mückenschweinverlag sein Weltverbesserungsversuch - übrigens ein Wort, das er sehr schätzt, weil man nur in der deutschen Sprache Wörter so großartig selbst zusammenbauen kann – in Druck ging, hat damit zu tun, dass er hier in Stralsund vor ein paar Jahren ein Praktikum absolviert hat. Und dachte: „Die Leute hier sind wirklich cool!“ Mit denen kann er es schaffen, die Welt zu verbessern. Er lebt jetzt in Berlin und Stralsund und bleibt noch ein bisschen im Speicher am Katharinenberg bevor er sowieso wieder da sein wird für sein nächstes Buch, das er neben seinen neuen Projekten mit palästinensischen Flüchtlingskindern im Libanon zeichnen will. Warum? Das wissen wir jetzt: Um das Problem der Flüchtlinge aus seiner speziellen und klugen Weltsicht heraus bekannt zu machen, um das Problem der Flüchtlinge zu lösen um den Konflikt in Nah-Ost zu lösen um die Welt zu verbessern um in Sicherheit zu leben und um, Ja, richtig: Um Glücklich zu sein.

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