Sonntag, August 24, 2008

Professor für Gregorianik und Liturgie hält Vortrag über gregorianische Gesänge

Prof. Klöckner erhielt als Dank für seinen Urlaubs-Vortrag das Buch "Wenn Kirchen singen", ein Bildband über die Stralsunder Kirche St. Nikolai

Andächtig schreiten sie durch den Kreuzgang, Kerzen in der Hand, die weißen Gewänder wedeln majestätisch, eng umhüllen Kapuzen die Gesichter der jungen Männer – eine göttliche Boy-Group. Die Mönche des Klosters Heiligenkreuz haben es in diesem Jahr in die Top Ten der englischen Charts geschafft. Noch vor die großartige Katastrophen-Amy. Und sogar Madonna, die Weltliche, haben sie überholt. Ein Pater aus dem Kloster im Wienerwald sagte kürzlich in der Presse, er hätte nichts dagegen, dass die Menschen „nach unserer Musik aus-chillen.“
Was das nun wieder sei, hat er nachschlagen müssen. Dass die Musik die Charts erobert, wundert ihn nicht. Stefan Klöckner ist der einzige Professor für Gregorianik und Liturgie. Seinen Lehrstuhl hat er an der Folkwang-Hochschule für Kunst und Musik in Essen. Er teilt also seine Vorliebe inzwischen gottlob mit vielen Menschen, aber er ist der einzige, der in dieser Musik forscht wie ein Archäologe.
Am Dienstagabend hat er in der Nikolaikirche einen Vortrag gehalten, auf Einladung des Fördervereins. Es handelt sich bei einem gregorianischen Choral, benannt nach Papst Gregor dem Großen, einer liturgischen Autorität der katholischen Kirche, um einstimmige Vertonungen von Texten aus der Bibel. Laut gelesen sollten Texte der Bibel in Herz und Seele gepflanzt werden, die Mönche sollten sie auswendig sprechen können. Vielleicht grummelten sie sprechend zu sehr. Die Texte wurden jedenfalls im 8. Jahrhundert in Noten gesetzt und seitdem gehören sie zum Alltag in jedem Kloster. Sieben Mal am Tag wird zum Stundengebet gerufen und die Liturgie gesungen. Klöckner beschäftigt sich in seiner Arbeit mit eben diesen Hintergründen, aber auch mit Pünktchen über den Wörtern, oder kleinen Häkchen mit oder ohne Strich und den Tempi. Die Gemeinde seiner Zuhörer sang am Ende herzergreifend. Das, betonte er, sei die einzige Aufgabe der gregorianischen Gesänge, in die Herzen zu dringen. „Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
Jeden Mittwoch um sieben Uhr früh erklingen übrigens solche herrlichen Gesänge im Chorraum der Nikolaikirche. Auf CD gepresst könnte das ohne Weiteres, Heiligenkreuz hat es bewiesen, die neue Stralsund-Sensation werden.

Samstag, August 23, 2008

Kreuzorganist Holger Gehring an der Buchholz-Orgel


Sonate A-Dur op. 65 Nr. 3 von Felix Mendelssohn Bartholdy – ein Schlager könnte man schon fast sagen, den Kreuzorganist Holger Gehring da an den Anfang seines Konzertes am Mittwochabend in der Kirche St. Nikolai setzte. Es war das letzte Stück, das Kantor Matthias Pech vor der Sanierung der Buchholz-Orgel gespielt hatte und das erste auch nach der Sanierung vor zwei Jahren. Und jetzt wieder. Wie romantisch! Ist es wirklich. Ein Stück aus der Romantik. Zwar meinte Goethe „Classisch ist das Gesunde, romantisch das Kranke.“ Aber das war mal ausnahmsweise eine sehr einseitige Äußerung von ihm. Romantik – das stand für Exzentrik, einen ungesunden Überschuss an Gefühl und Fantasie und für die Verachtung der Wirklichkeit. Aber für Romantik muss man eben Talent haben. Das war nichts für aufgeklärte Zeitgenossen.
Die Komponisten der Romantik fühlten sich als Verkörperung der Musik schlechthin. Musik war jetzt nichts Konstruiertes mehr. Es war die Offenlegung von Seele und Gefühl. Improvisation, seelische Ausbrüche in Variationen. Und die Orgelbauer, die standen diesem Anspruch in nichts nach. Das Neuschaffen von Klängen an der Orgel war für sie Musikschaffen. Seitdem gibt es Begriffe wie „symphonische Orgel“ oder „orchestrale Orgel“ oder „Orgel-Streicher“. Romantische Orgeln haben Tiefe und klingen geheimnisvoller als die der Klassik und des Barock.
Holger Gehring hat so ein romantisches Orgelkonzert gegeben. Stücke der Romantik an einer romantischen Orgel. Und am Ende stand er oben auf der Empore vor seinem „Orchester“, der Buchholz-Orgel, huldigte auch sie mit einer Armbewegung und verbeugte sich beängstigend weit über die Brüstung, hoch oben über seinen applaudierenden Zuhörern, die aufgestanden waren, um ihn sehen zu können.
Es war grandios. Alles zusammen. Natürlich war es die Musik. Aber auch die Orgel. Und dieser alles verbindende Virtuose am Spielpult. Gehring ist wirklich einer der Besten. Amtlich. Sonst wäre er nicht Organist an der Dresdner Kreuzkirche. Er spielte Johann Gottlob Schneider und Gottfried August Homilius. Insbesondere bei den Variationen von Johann Christian Heinrich Rinck holte Gehring mit Spieltechnik und Registrierung aus der Orgel heraus, was sie hergab. Es trompete leise, pfiff wie ein seichter Wind, eine Spieluhr erklang, Geigen strichen leise, in die tiefsten Tiefen stieg er im Pedalbass, klimpernde Zimbeln erklomm er im obersten Manual. Mal schüchtern, als stünde noch eine kleine Orgel hinter der Großen, mal dröhnend, als würden sich Erde und Himmel öffnen. Am Ende hat er die Fantasie Nr. 5 in d-Moll op. 176 gespielt. Eine Reminiszenz an Gustav Adolph Merkel, der ein Kollege Gehrings war, Kreuzorganist. Bis 1885. Romantik, das ist eben auch heute noch die Verklärung der Vergangenheit. Zum Glück. Und somit auch Gegenwart.

Neue Männer braucht das Land - neue Frauen aber auch

Die Mädels aus Schwedt sind im Männergrundstudium stecken geblieben

„Also Mädels, so wird das nichts!“ Protestierte es in der Zuschauerin am Freitagabend im Gustav-Adolf-Saal. „So kriegt ihr nie einen ab! Das geht anders.“ „Neue Männer braucht das Land“ hieß das Programm, mit dem drei Schauspielerinnen der Uckermärkischen Bühne Schwedt mal wieder alles in Schutt und Asche legten, was sich an Zutraulichkeiten zwischen Mann und Frau seit dem Desaster 1968 entwickelt hatte. Die wirklich emanzipierte Frau von heute ist doch schon längst über den Kastrationseifer hinaus. Die bringt ihrem Goldstück morgens das Frühstück ans Bett und weiß, dass er anschließend durch ihre Anforderungsliste schnurrt wie ein gut geölter Sechszylinder.
Aber die Damen aus Schwedt sind da scheinbar im Grundstudium stecken geblieben. Als Nummerngirls waren sie super. Kess haarewedelnd, arschwackelnd, augenklimpend, drei Röhren, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen, immer einen schlimmen Spruch auf den rotgepinselten Lippen. Unvergessliche Erscheinungen. Aber muss man sich so dummdumm amüsieren, wenn man in der Kur darüber informiert wird, wie der Kerl zu Hause in der Küche versagt? Abgesehen davon, dass diese Rollenklischees komplett überholt sind, hätte die Reaktion ein bisschen mit Entsetzen gepaart sein können. Und so weiblich, ledig und nicht mehr ganz jung sollte man sich nicht erdreisten, den Spitznamen eines männlichen Gegenübers auf „schnurz“ oder „kurz“ zu reimen. Dass der Volltrottel das ganze Jahr über läufig ist, hat ja auch direkt damit zu tun - bleiben wir im Tierreich - dass die gemeine Tussi das ganze Jahr lang dafür empfänglich ist. Die drei Schauspielerinnen jedenfalls haben sich redlich Mühe gegeben, die Männer schlecht zu machen. Gewonnen hat aber an diesem Abend der weichgespülte und kuschende einzige Halbmann auf der Bühne. Pantoffelheld und herzerweichender Sympathieträger mit Gitarre. Wenn er sich gewehrt hat, dann wenn die Girls mal hinterm Vorhang verschwunden waren. Dann schlug man sich auf seine herzerfrischende Seite und duckte sich weg, wenn die Mädels wieder aufkreuzten. Männer muss man loben. Dann bleiben sie stark, Dann bleiben sie oben.

Esther Dittmers Haus für den lieben Gott


Die Rostocker Künstlerin stellt Fragen an den lieben Gott

Es gibt ihn wirklich - den Gott. Gott sei Dank! Die Zweifler, allen voran Herr Nietzsche, können einpacken. Sein Büro hat er in der Kirche in Landow, wer also Fragen hat... Eine „Philosophische Installation“ ist es, die am Sonntag mit dem Sommerkonzert des Philharmonischen Orchesters Vorpommern in der Kultur- und Wegekirche im Rahmen des 9. Musiksommers eröffnet wird. Und es ist der dritte Kommentar, den die Rostocker Künstlerin Esther Dittmer mit dem Fachauge der Restauratorin, zum langsam fortschreitenden Kirchenumbau abgibt. Nach den „Honks“ und „Transversale Transzendenz“ ist sie wieder da und philosophiert mit „AB und AN Wesenheit“ aufs Heiterste über Gott und die Welt. „Gott hat seinen Schreibtisch im Altarraum stehen. AB und AN ist er da. Sagt er.“ Sagt sie. Seine zahlreich anwesenden Mitarbeiter aus weißem Porzellan, sonst in Wattewolken, wirken ein wenig zerbrechlich. Dittmer braucht Nachschub, nachdem ihr schon zwei an der harten Realität zerschellt sind. Da fragt man sich doch, weshalb wir Schäfchen (wir Schafe!) immer wieder wie Motten die Lichtinstallation im Seitenschiff „Stehen vor dem Nichts“ umschwirren oder ein großes „Geheimnis“ über die Kanzel legen - wenn wir ihn doch einfach anrufen können. Und wer keine Fragen hat, für den gibt’s Anregung von den Wolkenkästen am Kirchenhimmel. Ein himmlischer Versuch, die Fragen aller Fragen für immer zu klären.

Angelika Milster auf Kirchentour


Angelika Milster hat ihre Liebe zu geistlicher und klassischer Musik entdeckt und singt jetzt am liebsten in großen Kirchen

Manche kommen auf die Bühne und sagen „Hallo Guten Abend liebes Publikum!“ oder so in etwa. Angelika Milster macht das anders. Sie kommt, während alle schon seit einigen Minuten erwartungsvoll den Pianisten auf der Bühne ansehen, von hinten. Von einem Spot, ein Lichtstrahl, der von oben kommt, schreitet sie lächelnd durch die Mitte des vollbesetzten Kirchenschiffs der Jacobikirche. Ein Tosen hebt an, Beifall, Standing Ovations schon vor ihrem ersten Ton. Mit traumwandlerischer Sicherheit tritt sie schließlich auf die Bühne. Und beginnt mit einer Händel-Arie ihr Konzert 2008 in Stralsund. So war das am Freitagabend. Und das „Dank sei Dir Herr“, das sie dann anstelle einer Begrüßung sang, klang wie ein Sakrileg. So eine Kirche, die wäre ohne Gott nicht gebaut worden. Und ohne Gott und die Kirchen gäbe es auch nicht diese herrliche Musik. Und es macht ihr offensichtlich Spaß, hier zu singen.
Es sind klassische und geistliche Lieder, ein Programm, das sie seit ein paar Jahren in Kirchen singt. Sie sagt, es sei ihr Leitspruch, von dem großen Kuchen Musik unentwegt zu naschen. Ein großes Stück Musical, ein Eckchen Schlager, die ganze Klassik-Garnitur. Eine Opernausbildung habe sie ja, auch wenn sie dann zu temperamentvoll dafür gewesen sei. Sie wollte ja noch mehr, als ein Leben lang dieselben Arien singen. Dass sie auf der Höhe ihres Ruhms dann als Sängerin und Schauspielerin die Klassik und die geistliche Musik, Kirchenmusik, für sich entdeckt hat, ist also nahe liegend. Jetzt Ja. Also singt sie Bachs „Ave Maria“, das „Wiegenlied“ von Brahms, Händels „L´aschia ch´io pianga“, ein tiefes und mystisches „Kyrie“ von Paolo Rusticelli oder das berühmte „Jerusalem“ von Stephan Adams, so hymnisch und extrovertiert interpretiert, dass man dazu marschieren möchte.
Sie hat sich für diese Musik keine Kunststimme zugelegt. Sie singt wie die Milster eben singt. Atemberaubend kraftvoll, wo holt diese Frau die Luft her, mit dem sie die Töne hält? Manchmal vergisst sie sich leidenschaftlich, sie hantiert in weit ausholenden Gesten, als könnte sie jeden Moment abheben. Immer wieder wird sie bejubelt. Singt am Ende, als Zugabe erst, „Memory“ aus Cats. „Ich singe dieses Lied heute zum 4000. Mal, sagt sie. Und wenn man das nicht auch wüsste, könnte man denken, sie hätte es gerade eben zum ersten Mal gesungen. Hingabe, Seele und Leidenschaft – und kein bisschen abgenutzt.

Kennen Sie Brahms? Generalmusikdirektor Prof. Matthias Husmann und Familie in der Kultur- und Wegekirche Landow auf Rügen

Familie Husmann kennt sich mit Brahms aus

Kennen Sie Brahms? Ja natürlich kennt man den. Ein Komponist der Romantik war er. „Schwere Musik“, fällt noch jemandem ein. Regional könnte sogar bekannt sein, dass er seine Erste Sinfonie auf Rügen beendet hat. Aber dann hört es schon langsam auf. Guten Abend gut Nacht – ja, das Lied ist auch von ihm.
Natürlich muss man Brahms im Jahre 175 nach seiner Geburt nicht dem Sog des Vergessens entreißen – man spielt Brahms in allen Konzertsälen, ständig erscheinen neue Aufnahmen seiner Lieder und Werke. Aber kennt man Brahms deshalb?
Es wird kein Komponisten-Quiz und auch kein Best-of-Brahms, am Sonntagabend in der Kultur- und Wegekirche in Landow. „Kennen Sie Brahms?“ ist eine Einladung. Zu einem Abend, an dem man an einem schönen Flecken dieser Welt Bedeutsames mit ins Leben nehmen kann. Musik und Unterhaltung mit einer Künstler-Familie in Hochform. Prof. Mathias Husmann, Generalmusikdirektor des Theaters Vorpommern, wird die beiden Frauen seiner Familie am Klavier begleiten. Zu hören ist die 2. Violinen-Sonate in A-Dur und Lieder von Brahms und Schumann, u.a. auch die jeweils ersten und letzten. „Die Beiden standen sich sehr nahe.“ Erklärt Husmann, man könne nicht über Brahms reden, und Schumann auslassen. Das wird er erklären. Wenn er von Leben, Frauen und Freunden erzählt. Von Wegbereitern, Widersachern und dem Werk des Komponisten. Husmann ist ein eindrucksvoller Erzähler, der aus den Quellen schöpft. Für den Abend reist Tochter Irene aus Flensburg an, wo sie momentan stellvertretende Konzertmeisterin ist. Die 2. Sinfonie, verrät sie, zitiere an drei Stellen Lieder des Komponisten, die ihre Mutter singen wird. Die Tochter, die schon als Kind erst die Notenhefte ihrer Eltern umblätterte und dann natürlich Musikerin wurde, sagt lachend: „man muss diese Hintergründe als Geigerin gar nicht beherrschen, aber ich hatte in dieser Familie keine Chance, die Lieder nicht zu kennen.“ Man muss den Abend nicht als eingeschworener Brahmine verlassen. Aber man wird diese melancholische, romantische, manchmal abgründige aber auch ätherisch schöne Musik verstanden haben und, ja, Brahms kennen. Falls mal jemand fragt.

Stralsunder Paramentenschatz im Remter des Kulturhistorischen Museums


Der Direktor des Kulturhistorischen Museums Dr. Andreas Grüger

Bis 7. September ist das kühle Gewölbe des Remter´s jetzt Ausstellungsraum. Selbst am hochsommerlichen Vormittag dringt nur so wenig Licht durch das Bleiglas, dass das Kerzenlicht der Kronenleuchter die dämmerige Halle festlich illuminiert. Es sind außerordentlich lichtscheue und hochempfindliche Objekte, die nur selten in den vergangenen Jahrhunderten dem Tageslicht oder Berührungen ausgesetzt waren. Die Schau „Gewebte Pracht“, die Museumschef Dr. Andreas Grüger am Samstag eröffnete, ist, nicht nur für Auskenner, eine regionale Sensation. Erstmals wird der berühmte Paramentenschatz der Stadt Stralsund in seiner Gesamtheit präsentiert. Ehrfürchtiges Staunen also überkommt den Besucher der Ausstellung schon beim Eintreten. Oho, der berühmte Paramentenschatz also! Und irgendwie schaffen es diese 14 sehr schlicht geschnittenen Kleidungsstücke, wie sie da in Vierergruppen im Raum stehen, ocker bis braun changierend, ein wenig goldschimmernd, hier und da ausgebessert, ihrer sagenhaften Farbigkeit durch Licht und den Lauf der Zeit beraubt, eine Aura des Geheimnisvollen zu verbreiten. Eine märchenhafte Schatzkammer betritt man hier. Unsichtbaren Mächten setzt man sich aus. Einer Sage nach ist ein Stralsunder Bürgermeister tot umgefallen, als er eines dieser Prachtgewänder mal eben so aus Spaß durch die Straßen getragen haben soll. Ja, man traut ihnen und den Geistern ihrer Träger, den Kaland-Priestern, so was durchaus zu. Eine höchst interessante und gewissenhafte Einführung in die kulturhistorischen Hintergründe des Schatzes gab die Historikerin Dr. Juliane von Fircks. Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Greifswald, finanziert von der deutschen Forschungsgemeinschaft, hat sie in Zusammenarbeit mit der Textiltechnikerin Birgit Krentz den Bestand analysiert und einen Ausstellungskatalog verfasst. Paramente sind also die textilen Ausstattungsstücke des vorreformatorischen Gottesdienstes gewesen. Altartextilien und Priesterobergewänder, darunter trugen sie schlichte weiße Baumwolle. Jedes Gewand ist ein Unikat. Die Stoffe kamen über Hanse-Umschlagplätze vermutlich aus Zentralasien, genäht wurden sie von Stralsunder Schneidern. Mittelalterlicher Zeitgeist zog ein mit den Beschreibung eines Gottesdienstes, verfasst von Franz Wessel, Bürgermeister seinerzeit. Die Bewegungen der Priester mit diesen golddurchwirkten Prachtgewändern in Fackel- und Kerzenlicht, Glockengeläut, frisch rasierte und polierte Glatzen der Mönche – all das erhöhte den religiösen Glanz und die Gottesfurcht. So eine Pracht, sagte von Fircks, sei keiner gewohnt gewesen. Proteste wurden laut. Weihnachten 1524 stürzte ein Aufrührer in den Altarraum, um dem Priester das Gewand vom Leib zu reißen. Die Reformation versenkte die Paramente denn auch kurze Zeit später in dunkle Truhen. Zum Glück. Deshalb sehen sie heute zwar nicht aus wie neu, aber ein Wunder ist es schon. 600 Jahre sieht man ihnen nicht an. Wobei ein Prachtstück gerade höchst aufwändig restauriert wurde. Für 12 000 Euro! Von der Stadt Stralsund in ihr Weltkulturerbe investiert.