Montag, September 22, 2008

Manfred Kastners posthume Ehrung


Ausstellung
Bilder von Manfred Kastner
Meeresmuseum Ostsee-Ausstellung
Text: Juliane Voigt
Datum: 2008-09-19

Er muss ein verkappter Künstler gewesen sein, der Spitzel „IM Grün“. Dieser Manfred Kastner, schrieb er im Stasi-Bericht, der würde ja behaupten, dass er in seinen Bildern keine verschlüsselten Botschaften verstecke, aber das läge doch auf der Hand, wenn man sich die Bilder ansieht. Und man müsse sich mal vorstellen, dass selbst Experten das nicht erkennen. Er, IM Grün, sei jedenfalls fest davon überzeugt, dass der Kastner Eingeweihte über seine verschlüsselten Botschaften informiere. Und das galt es herauszufinden. Für den beflissenen IM Grün.
Manfred Kastner ist seit 20 Jahren tot. Er wäre in diesem Jahr 65 geworden. Und er hat mal ein paar Jahre im damaligen Naturkundemuseum als Präparator gearbeitet. Bevor er Maler wurde und nach Rügen zog. Aus diesem Grund ist seit gestern im Meeresmuseum, zweite Etage, eine Ausstellung mit Bildern des Malers zu sehen. Und da kann man zumindest eins ziemlich deutlich sofort erkennen, insofern hatte der IM einen guten Riecher: Kastner hatte offensichtlich ein Problem mit dem sozialistischen Realismus. Oder zumindest keine Lust, solchen zu malen. Die Bilder sprechen eine klare Farb- und Formensprache. Eine freundliche Fantasiewelt ist es, vor der man da steht. Bild für Bild. Auch mal ein Labyrinth, ein Fels, ein Kanal mit Wasser. Aber mehr ist da nicht. Und man kann sich aussuchen, ob man Betrachter bleibt oder eintaucht in die Kastner-Welt. Hinein ins Blaue, Lichte Helle.
„Freuen wir uns, die, die ihn kannten, dass es ihn gab.“ Es wurde vor den Bildern in großer Runde noch einmal an ihn erinnert. Kastner wird in seinen Bildern und den Erinnerungen seiner Freunde und Weggefährten weiterleben. IM Grün in elf Stasiakten über den Maler. Die Farbe Grün hat Kastner, jedenfalls auf den Bildern in der Ausstellung gar nicht verwandt. Und dahinter verbirgt sich doch sicher auch wieder was....

Alter Hafenspeicher als Beugs Hotel neu eröfnet


Hoteleröffnung Beug´s Hafenspeicher
Text: Juliane Voigt
Datum: 2008-09-04

Jahrelang stand er einfach nur da, ohne irgendetwas zu sein. Ramponiert und ausgebrannt zwar,
aber für eine Ruine auch wieder zu stolz. Nutzlos, aber gekonnt lässig an der Ecke lehnend, direkt vorne an der Hafenkante. Was sollte nur aus dem noch mal werden?
Ein Hotel ist er geworden. Der Hafenspeicher am Querkanal. Am Wochenende ist die offizielle Eröffnung von „Beug´s“ Hafenspeicher – Appartement- und Wellnesshotel, Restaurant und Bar. Der Unternehmer C.A. Beug hat das Backsteingebäude 1870 errichtet, um Kohle, Petroleumkisten und Antriebsöl für Schiffsmotoren einzulagern. Die Schiffe des Reeders legten direkt vorm Haus an. Das war das Geschäft des Eisengießers, der zudem auch noch Bier braute.
Jochen Geiling hat den Speicher nach dem Brand im Jahr 2002 gekauft. Die Idee für ein Hotel lag an dieser exponierten Stelle zwar nahe. Aber es selbst zu machen? Architekt und Hotelier sind keine unbedingt verwandten Berufe. Inzwischen aber begeistert er sich für Beides und betreibt das Haus engagiert und mit höchst individuellem Anspruch zusammen mit seiner Lebensgefährtin Christine Helm.
Die ersten Gäste waren auch schon da. Drei Doppelzimmer und sieben Appartements mit Kochgelegenheit und Schlafgalerien befinden sich in den drei Etagen. Die Gäste lieben das Haus. Und viele Stralsunder, so Geiling, seien auch schon vorbeigekommen. Sie freuen sich über dieses Stück gerettete Altstadt und interessieren sich natürlich für den Ausblick von der so genannten „Dachlaterne“. Ein Stück Himmel mit weitem Blick, zu erklimmen über die restaurierte Original-Holztreppe aus dem früheren Erdgeschoss. Geiling ist als Architekt nicht sehr autoritär vorgegangen. Er hat Beug gelassen, wo er konnte. Die dicken Holzbalken sind sandgestrahlt, die Backsteine im Gastraum unverputzt, der alte Speicher innen und von außen als solcher erkennbar.
Dennoch besticht die Ausstattung durch Modernität und gute Gestaltung. „Design?“ sagt er, „nicht um jeden Preis.“ So wird auch das Restaurant mit den 38 Sitzplätzen thematisch den „Handel und Wandel im Stralsunder Hafen 1870“ aufgreifen. Küchenchef Philipp Langhammer ist allerdings alles andere als von gestern und setzt auf gesunde Bistro-Küche, die sich wechselnd am saisonalen und regionalen Angebot orientiert. Mittags werden Gemüse-Suppen angeboten. Fleisch und Fisch, betont er, kommen als etwas Besonderes auf den Teller. Und aus dem Zapfhahn fließt kühles „Beug´s-Braunes“ und „Beugs-Blondes“ – eine Spezialität dieses Hauses. Jochen Geiling lässt das Bier in einer süddeutschen Brauerei produzieren. Braunbier, so wie Beugs es noch gebraut hat, ist aus der Mode gekommen. Aber es schmeckt viel würziger und malziger. „Und es hat nicht die üblichen Nebenwirkungen, weil es länger gebraut wird.“ So Geiling.
Zum Winter wird in dem alten Speicher noch eine herrliche Lehmsauna fertig werden. Und wer es schon immer wollte aber nie geschafft hat, kann jeden ersten Freitag im Monat zwanglos unter professioneller Anleitung Gesellschaftstänze üben. „Danz op de deel“ heißt diese sehr sinnvolle Institution. Und wer nun endlich mal wissen will, was man von der Dachlaterne aus alles sehen kann, hat die Chance, sich in der Langen Nacht des offenen Denkmals von Jochen Geiling persönlich nach oben führen zu lassen.

Das erste Kinderbuch des Strandläufer-Verlags Stralsund


„Klein Häuschen allein zu Haus“
von Eva S. Perl und Patricia Bischoff (Illustrationen)
Text: Juliane Voigt
Datum: 2008-09-11

Jeder fragt sich doch irgendwann mal, was die eigene Wohnung von einem denkt und was da wohl los ist, wenn man mal verreist. Nicht nur Kinder stellen sich diese bange Frage. Aber die sind es, die nachts im Bett liegen und das Fürchten lernen, weil hier ein Deckenbalken knackt und da ein geheimnisvolles Wesen geräuschvoll durch die Heizungsrohre blubbert.
Bei der Kinderbuchautorin Eva S. Perl gehören zum Haushalt nicht nur sie und ihr Mann und ihre dreijährige Tochter. Da gibt’s noch Ludmilla, die fleißige Waschmaschine, Bärbel, die Spülmaschine, die zwar ganz ordentlich Geschirr spült, sich aber auch unaufhörlich mit nervigem Gepiepe wichtig macht. Und es gibt, darf ich vorstellen?: Achmed, den traurigen Kühlschrank. Seine Seufzer sind wirklich durchdringend. Das muss man zugeben. Und, achja, Heinz, der Heizungslurch, immer fidel, immer in Bewegung. Eine Nervensäge.
Sie erwartete ihr Kind, erzählt Eva S. Perl, die eigentlich Katrin Hoffmann heißt, aber trennen möchte zwischen der Kinderbuchautorin und der Journalistin, die sie auch noch ist. Sie war also schwanger, als sie das Buch geschrieben hat. Ihr erstes Kinderbuch “Klein Häuschen allein zu Haus“ heißt es und das widmete sie eben den Wesen, die schon lange fest zum Haushalt gehörten.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Eine Familie verreist, das Haus bleibt alleine, alle Geräte und Geräusche und der Kater streiten und vertragen sich, einer ist wichtiger als der andere, schließlich kommen Einbrecher, die in gemeinschaftlichem Aufruhr zur Strecke gebracht werden.
Katrin und Peter Hoffmann haben in diesem Jahr den Verlag „Strandläufer“ gegründet, in dem sie auch schon die zweite Auflage des Stralsund-Krimis „Die Pilzsammlerin“ verlegt haben. Die Neuerscheinung aber ist das Kinderbuch. Mit lustigen Illustrationen der Zeichnerin Patricia Bischoff. Katrin Hoffmann hat gestern als Eva S. Perl in der Kinderbibliothek den Kindern der Stadt ihr Buch vorgelesen. Son stöhnender Kühlschrank, wissen die Kinder jetzt, ist doch auch nur ein Mensch. Und zwinkern ihm heimlich zu.

"Der Rosenkavalier" in den Endproben


Premierenankündigung und Vorbesprechung mit dem Regisseur und Sängern des Musiktheaters
„Der Rosenkavalier“
Premiere am 27. September 2008
Text: Juliane Voigt
Datum: 2008-09-18

Er hat ein beachtliches Gewicht, der Rosenkavalier. Regisseur Professor Anton Nekovar hebt demonstrativ einen voluminösen Klavierauszug in die Höhe. „Wir haben uns hier an ein Opus Maximum herangewagt.“ Der Rosenkavalier, das sei eine der schönsten aber auch schwierigsten und längsten Werke der Opernliteratur. Sagt er. Komponiert von Richard Strauss, uraufgeführt an der Hofoper (heute Semperoper) in Dresden am 26. Januar 1911. Mit so einem triumphalen Erfolg, dass man Zugverbindungen von Berlin nach Dresden einrichten musste. Am nächsten Samstag, am 27. September, ist in Stralsund die Premiere.
„Der Rosenkavalier“ ist eine Oper, über die Kenner sofort ins Schwärmen geraten. Erst einmal ist es ausdrücklich eine Komödie für Musik, schrieb der Komponist unter den Titel. „Eine wienerische Maskerad´ und weiter nix!“ Sie hat Züge einer Operette, andauernd walzt es im Dreivierteltakt, es wienert gar sehr in einer Kunstsprache, es geht komödiantisch zu, clownesk sogar, natürlich rankt sich der Handlungsstrang um unerfüllte Liebe und zwei, die sich am Ende kriegen.
Aber die Oper hat auch einen Unterbau, einen Keller. Wo versteckt man die Tiefe am Besten? An der Oberfläche. Hinter der fast mozartlichen Handlung steckt die straussche Schwere. Um das Vergehen von Zeit geht es, „Wie man nichts halten soll, wie man nichts packen kann, wie alles zerlauft zwischen den Fingern, alles sich auflöst, wonach wir greifen, alles zergeht, wie Dunst und Traum“ singt die Marschallin. Und es ist ein Abgesang an das 19. Jahrhundert. Ein Niederknien vor der schönen Zeit und den alten Werten. Es ist eine Oper, auf die es sich zu warten gelohnt hat. Seit vor zwei Jahren fest stand, dass „Der Rosenkavalier“ als Koproduktion mit der Oper Lecce in Italien, auch auf die Stralsunder Bühne kommen wird. Es ist göttliche, sphärische Musik. Natürlich das Terzett am Ende des dritten Aktes. Und das letzte Duett, ein Suchtmittel fast. Man will nicht, dass es je aufhört. Ein Sirenengesang. Sophie, die Marschallin und Octavia, ein junger Mann, ein 17-jähriger, eine Hosenrolle. Eine Frau also, die eigentlich ein Mann ist, der sich dann aus Verführungszwecken als Frau verkleidet. Wiepke Damboldt musste dreimal um die Ecke denken, um in die Rolle zu schlüpfen. Musikalisch ist jede Stimme mit der anderen verwoben, verheddert und entwirrt sich von Zauberhand. Selten, dass das Orchester eine Melodie führt. Die Sänger singen oft im Parlando, also eher einem Sprechgesang, einen Bogen „und dann hoffen wir, dass wir zusammen ankommen.“ Scherzen sie. Anette Gerhardt singt die Marschallin und hat die Partitur vor zwei Jahren zum ersten Mal in die Hand genommen. Eva Resch betont, sie hätte die Sophie wohl nicht ohne die Einzelproben mit Prof. Husmann so schnell gelernt. Und alle drei Frauen sind dankbar für die Geduld, mit der Henning Ehlert und David Grant am Klavier die Partien mit ihnen geschliffen haben. Ein Oboist hatte zu Strauss gesagt, seine Stimme sei unspielbar, woraufhin der Komponist antwortete: Trösten Sie sich, beim Klavier ist es auch so.
„Am Besten, man kennt die ganze Oper auswendig. Dann kriegt man seinen Einsatz immer. “ Sagt André Eckert. Er ist der Baron Ochs aus Lerchenau, ein verkommener Landadliger. Die Hauptpartie der Oper, die Schwerste. Wer den Ochs schafft, kann man sagen, ist so was wie geadelt in der großen Opernsängerfamilie. Den Ruf, „Der Ochs“ zu sein, den muss man sich hart ersingen. Der Dresdner hat den Ochs schon in vielen verschiedenen Häusern gesungen. Und er kennt die ganze Oper ziemlich sicher auswendig.
„Der Rosenkavalier“ ist eine Herausforderung, auch fürs Publikum. Soviel steht fest. Man muss sich schon auf fast vier Stunden Musik einlassen. Aber wer sich am Ende nicht vollkommen aufgelöst wieder findet und glücklich und zutiefst ergriffen, der ist ein wahrer Ochs aus Lerchenau, jedenfalls einer seiner vielen Verwandten.
Am Sonntag um 11 Uhr findet die Matinee zum Rosenkavalier im Gustav-Adolf-Saal statt.

Die Sache und die Sachen sortiert von Hermann Kant und Irmtraut Gutschke


Lesung und Gespräch
Hermann Kant und Dr. Irmtraud Gutschke
Speicher am Katharinenberg, 27. 8. 2008
Text: Juliane Voigt
Datum: 2008-08-28

Es ist wie mit den beiden Kästen, die man sich irgendwann im Leben anlegt. In den eine kommen die Fotos, die man von sich herumzeigt, die anderen laufen unter „Mumien/Monster/Mutationen“. Nach ein paar Jahren ertappt man sich dabei, wie man die Schlechten zu den Guten umsortiert. „Da sah ich doch super aus! Wieso liegen die in der doofen Kiste?!“ Alles ist relativ und am Ende nur eine Frage der Distanz.
Hermann Kant hat sich zu Wort gemeldet. In einer Zeit, in der sich auch die DDR-Kritik schlicht darauf polarisiert zu haben scheint, dass es nur zwei Seiten gegeben hat: Den bösen Staat und die guten Dissidenten. Schwarz und weiß. Kant liegt bekanntlich als SED-Funktionär und Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der DDR in der nicht so ganz günstigen Kiste. Am Mittwoch war er auf Einladung des Freundeskreises Rosa-Luxemburg im Speicher am Katharinenberg.
Es war nicht seine Idee. Das mit dem Buch. Das Neue Deutschland wars: „Was sagt Kant 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus?“ Das wäre doch mal ein Buch, was die Welt noch braucht. Dachten sie und dachten sich gleich eine Buchreihe aus.
Es ist ein Protokoll von fast 50 Stunden Interview, das die Journalistin Irmtraud Gutschke mit Kant geführt und anschließend aufgeschrieben hat. „Die Sache und die Sachen“, ein „typisch kantscher Titel“ sagt sie. Verkaufsschädigend, kam es aus dem Publikum. In Wirklichkeit ist es ein kantscher Volltreffer. Die Sache und die Sachen – um nichts anderes geht’s. Punkt.
Kant antwortet also. Auch an diesem Abend, auf Fragen von Irmtraud Gutschke. Die Fragen aller Fragen an Kant wäre ja die nach seiner heutigen Einsicht in die damaligen Notwendigkeiten. Würde er noch einmal Kollegen aus dem Verband ausschließen, um seine Position zu retten? Gutschke sagt später: „Ja, das wollen alle wissen. Aber ich frage ihn doch nicht jeden Abend dasselbe.“ Laut hat diese Frage an diesem Abend keiner gestellt. Die steht aber, auch mit Antwort, im Buch, falls mans wirklich wissen will. Für diesen Abend folgte man dem Frage-Antwort-Katalog auf dem Podium zu Wehrmacht (nein, keine Waffen-SS!) und Gefangenschaft. Und ein wenig DDR-Aufarbeitung auch, die sowieso, so das Fazit von Irmtraud Gutschke, in ihren grenzenlosen Auswüchsen sinnlos sei, weil „es steht ja keine DDR mehr bevor.“ Genau. Gespenster sind es, sagt Kant, über die man redet. Ein Grusel das, für jeden Historiker.
Aber wenn es einen Grund gibt, warum dieses Buch eins ist, was die Welt vielleicht doch braucht, dann der, dass Kant ein Zeitzeuge ist und in seinen Antworten sehr detailliert und bildhaft Auskunft gibt. Dem man insofern in seiner Weltsicht vertrauen kann, weil er nicht mit Zwar-Aber-Verteidigungsgewinsel versucht hat, die Kiste zu wechseln. Er ist ein großer Literat, ein geistreicher Erzähler und ein, in Maßen, Reflektierter. Ein Mensch, der mit dem Leben, was er als sein Leben leben musste, nur das sein konnte, was er wurde. Wie Jedermann.

Verlag „Das neue Berlin“, 14,90 Euro

Dienstag, September 02, 2008

Ein Promi-Dinner mit italienischer Oper in Stralsund


Opernsänger und Regisseurin des Theaters haben die Presse bekocht

Das wars schon wieder mit „La Bella Musica“. Von Donnerstag bis Samstag dieser Woche finden die letzten Vorstellungen mit den schönsten Melodien Italiens auf der Seebühne statt. Es war ein Erfolg. Mehrere Vorstellungen waren komplett ausverkauft. Bänke wurden dazugestellt. Resümiert Karina Schulz, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Theaters Vorpommern. Nur an einem Abend musste man wegen schlechten Wetters ins Theater ausweichen. Schauspieler, Sänger, Ballett und Orchester wurden begeistert gefeiert. Das Theater ist mit den gesamten Ostseefestspiele 2008 - das war „La Bella Musica“ auf der Seebühne, „Tosca“ in der Kulturkirche und „Die Perlenfischer“ im Theater – mehr als zufrieden.
Kürzlich kam ich deshalb in den Genuss eines ausgesprochen unterhaltsamen lokalen Promi-Dinners: Ein Abend für Sopran, Bariton und Bass, Regisseurin und große Küche. Ja, es wurde für mich gekocht. Heilige Pasta! Dachte ich. Wenn Opernsänger kochen: Maria Callas hatte zum Beispiel eine Vorliebe für blutige Steaks und roh pürierte Leber, mit Öl beträufelt.
Eva Resch, die Sopranistin, an deren Küchentisch sich die illustre Abendgesellschaft versammelt hatte, zum Glück nicht. Dafür servierte sie ein köstliches Antipasti-Potpourri: In Knoblauch eingelegte Paprika und Zuccini, ausgebackene Melanzane mit Mozarella gefüllt, Parmaschinken an Honigmelone und knuspriges Bruscetta. Man entkorkte den Weißwein, ein Geschenk des Weinladens, ein köstlicher und fruchtiger, herrlich kühler Soave Classico. Denn auch die Außentemperaturen waren an diesem Abend ganz und gar italienisch. Während des nächstens Gangs - Regisseurin Alexandra Kieser hatte ein enormes Zutaten-Ensemble liebevoll zu einer gehaltvollen Minestrone zusammeninszeniert – kam die Idee auf, die Erfolgs-Story mit der verirrten Taucherin Gerda Schulze und dem italienischen Eisverkäufer Giovanni im nächsten Jahr einfach weiterzuspinnen. Es soll ja auch Bühnenhelden geben, die man erst köpft und im nächsten Jahr wieder auferstehen lässt. Da könnten doch die beiden im nächsten Jahr in die Flitterwochen fahren, italienische Arien singen, den ersten Ehekrach absolvieren, Arien gäbe es dafür genug, und natürlich: italienisch essen. Oper und Küche – das ist die große Amore der Italiener. Der deutschen Liebhaber italienischer Opern natürlich auch. Keine Oper ohne Trinklied oder Gelage. Souppa, Pizza, Pasta, Dolce sind überlebenswichtig. Essen ist LebensArt. Rossini hat bekanntlich über die Leidenschaft zum Kochen das Komponieren schließlich ganz aufgegeben. Pfirsich Melba, verblüffte Bryan Rothfuss, Spross einer amerikanischen Opernsänger-Familie, mit seinem Spezial-Wissen, sei eine Hommage an die australische Sängerin Helen Porter Mitchell, die sich Nellie Melba genannte habe. Auch das Gericht Chicken Tetrazzini ist einer Sopranistin gewidmet, einer Italienerin, die vor 100 Jahren lebte und die auf alle Fälle, wie Fotos beweisen, zu viel davon gegessen haben muss. Während Bassist und Bühnen-Mafiosi Bernhard Leube mit dem nächsten Gang überraschte: Spaghetti Frutti di Mare a la Sizilia – ausreichend für eine ganze Mafia-Bande – entspann sich eine Diskussion um die vorlaute Behauptung einer bekannten Wochenzeitschrift die in ihrem Magazin posaunt hatte, dass die Oper Stralsund die schlechtesten Besucherzahlen des ganzen Landes habe. Es sei, so Karina Schulz, auf die Anfrage, welchen Quellen diese Mathematik und der daraus resultierende Image-Schaden zugrunde liege, bisher keine Antwort eingegangen. Bryan Rothfuss setzte zum Abschluss mit einem Himbeertiramisu auf das Außergewöhnliche. Vermutlich eine Liebeserklärung an den pinkfarbenen Motor-Roller und die löffelbisquitgelben Hosen mit espressobraunen Karos seiner Auftrittsarie aus dem Barbier von Sevilla. Man schwärmte einvernehmlich und prostete sich mit der nächsten geöffneten Weinflasche, inzwischen ein hervorragender roter Tropfen, zu. Es war ein vergnüglicher Abend.
Fazit für mich: 1. Opernsänger, vor Allem Sopranistinnen, können doch ziemlich gut kochen. 2. Falls im nächsten Hamburger Magazin stehen sollte, dass die Oper Stralsund die schlechtesten Besucherzahlen der ganzen Welt haben soll, muss sofort angebaut werden, weil der Eintrag im Guinness-Buch die Besucher in Scharen herlocken wird. Und 3. Nicht jedes Pressegespräch sollte vier Gänge haben, sonst sehe ich bald aus wie Luisa Tetrazzini.