Familienstammbäume sind eigentlich Gewächse wie andere auch. Manche Familie bringt es über Jahrhunderte zu einer knorrigen Eiche. Andere muckern im Bonsaibereich herum. Aber jede Familie brächte so etwas wie einen Baum aufs Papier, wenn man die Ahnen in ein Organigramm setzt. Stamm, Zweige, Triebe. Einer wächst, ein anderer bricht ab. Sie bilden Ableger oder sterben aus.
Am 2. Juli 1816 hat Johann Daniel Philipp Weyergang aus Stralsund seine Familie gepflanzt und in der Wasserstraße das erste Kaufhaus der Stadt gegründet. „Philipp Weyergang Sohn.“. So war es zu lesen. An einem Haus, das ansonsten bis vor Kurzem so kaputt war, wie viele andere auch. Dass jetzt der Stralsunder Mückenschweinverlag ein Buch über die Familie Weyergang vorlegt, ist Willi Frankenstein zu verdanken. Und der ihm eigenen Art, den Dingen auf den Grund zu gehen. „Friz Fischer verdanke ich durch ihr Buch „Altstadt und Werbung“ meinen Blick nach oben.“ Erzählte er am Mittwochabend im Speicher am Katharinenberg bei der Buchpremiere. Nur deshalb hätte er den Schriftzug überhaupt wahrnehmen können. Dass sich Wey-er-gang dann wie ein Singsang seinem Spazierschritt angepasst haben muss, ist das, was er so melodisch an dem Namen fand. Und dann machte er sich forschen Schrittes auf den Weg. In Archive, auf Friedhöfe, zu Fachleuten und zu allen Weyergangs, die er finden konnte. Eine lange Frankensteinsche Dankesrede wurde es.
Der inzwischen sanierte Gebäudekomplex war, wenn man so will, der Blumentopf des Familienbaumes. Bis 1933 strotzte er vor Gesundheit. Dann brachen seine Triebe ab. 1953 endlich schloss Hermine Weyergang nach 137 Jahren das Geschäft in der Wasserstraße ab und zog nach Kassel. Die Erben der Kaufmannsdynastie lagen in Soldatengräbern, über die noch nicht einmal Gras wachsen würde. Der Stamm knickte.
Die Familie gibt’s noch. Weit verstreut. Nur Konrad Krause lebt noch in der Nähe. Ralf Tietze zwar im Ruhrgebiet, im Herzen aber längst schon wieder in Stralsund. Ingeborg und Ferdinand heißen noch Weyergang. Sie gehören zu dem Familienzweig, der 1786 nach Indonesien auswanderte. Der Bruder von Philipp wurde dort König von Makassa. Kein Märchen. Es lohnt sich, Stralsunder Familienstammbäume immer ordentlich zu gießen.